
Wenn Fremdscham zur Waffe wird
Der Begriff „Cringe“ hat sich längst von einem Internet-Slang zum alltäglichen Stempel entwickelt. Was früher nur ein verlegenes Lächeln auslöste, wird heute mit scharfer Ablehnung quittiert. Besonders junge Communities nutzen den Ausdruck wie einen schnellen Schlagabtausch, um ein Urteil zu fällen – oft, noch bevor das Gegenüber überhaupt eine Chance hat.
Papaplatte, einer der reichweitenstärksten Streamer in Deutschland, ist mitten in diesem Zeitgeist groß geworden. Millionen verfolgen seine Liveshows, Clips und Reaktionen auf Inhalte anderer Creator. Dass er selbst nicht davor zurückschreckt, Dinge als „mega cringe“ zu bezeichnen, gehört seit Jahren zum Markenkern seiner Online-Persona.
Doch kürzlich zeigte sich ein anderer Ton. Während einer Minecraft-Session reagierte er auf Kommentare, die sich über einen im Stream laufenden Song lustig machten. Die permanente Abwertung, nur um cool zu wirken, ging ihm hörbar gegen den Strich. Vor laufender Kamera platzte es aus ihm heraus:
„Ihr dürft niemals solche hängengebliebenen Opfer sein, die wirklich… ihre Lebenszeit damit verschwenden […] aktiv irgendwo hinzuschreiben, es ist scheiße, Bro.“
Dieses Zitat schlägt ein – denn es richtet sich nicht gegen einen einzelnen Künstler, sondern gegen eine Haltung, die das Internet zunehmend vergiftet.
„Alles ist cringe“: Wie die Angst Kreativität zerstört
Viele möchten heute bloß nicht auffallen – aus Angst vor Häme. Und diese Angst ist real messbar: Laut einer aktuellen Erhebung geben 43 Prozent der 13- bis 39-Jährigen an, ihre Posts zu verändern oder gar zu verhindern, nur um nicht „cringy“ zu wirken. Selbstzensur wird zum neuen Standard.
Kulturwissenschaftler warnen: Wenn Fremdscham als Strafe genutzt wird, entstehen digitale Räume, in denen echtes Ausprobieren kaum noch Platz hat. Projekte werden zynisch präsentiert, damit niemand über zu viel Leidenschaft lacht. Damit verschwindet genau das, was Social Media eigentlich groß gemacht hat – mutige Ideen und Persönlichkeiten, die man noch nicht kennt.
Papaplatte beobachtet diese Entwicklung seit Jahren in Chats und Kommentarspalten. Seine Botschaft ist klar: Lachen ja – aber nicht auf Kosten derer, die sich etwas trauen. Denn ohne Menschen, die „riskieren, komisch zu wirken“, gäbe es weder neue Trends noch Unterhaltung.
Mit seiner Reaktion sendet er damit ein Signal an seine riesige Community: Weniger Spott, mehr Mut. Oder um es mit seinen Worten zu sagen: „Verschwendet eure Zeit nicht damit, alles scheiße zu finden.“

